Mononoaware

Fotoserien Mononoaware (2017/2018) und Jijimugé (2023)
Der japanische buddhistische Begriff jijimugé (jap. 事事無礙) kann mit „unhindered mutual interpenetration of phenomena and phenomena“ übersetzt werden. Das japanische ästhetische Konzept mono no aware (jap. 物の哀れ; wörtl.: „Pathos der Dinge“) beschreibt ein Gefühl von Trauer und Melancholie, aber auch des Genusses, welcher mit der der Vergänglichkeit der Dinge einhergeht. Bereits drei Mal habe ich Japan bereist: 2016 im Rahmen einer längeren Asienreise, 2017/2018 im Rahmen eines Auslandssemesters an der Universität Kōbe und zuletzt 2023 als Gastforscher im Rahmen meiner Doktorarbeit. Ich habe Japan immer als einen Ort der Kontraste aufgefasst, etwa zwischen Natur und Kultur/Technik, Tradition und Moderne, urbanen und ländlichen Räumen, Ost und West. Erst bei meinem dritten Aufenthalt in Japan wurde mir allerdings klar, dass es sich hierbei eigentlich gar nicht um Gegensätze handelt, sondern dass die Dinge grundsätzlich immer miteinander verbunden sind, sich gegenseitig bedingen und permanent verwandeln. Was also auf den ersten Blick wie ein Kontrast aussieht, existiert tatsächlich nur gemeinsam und intra-agiert auf (manchmal verwirrende) verflochtene Weise. Die zweite Sache, die ich in Japan stets spüren konnte, war eine erschütternde Einsamkeit. Normalerweise betrachten wir Einsamkeit als etwas Negatives, aber das muss nicht zwangsläufig so sein. Der buddhistische Begriff mu (jap. 無) kann mit „ohne“ oder „Nichts“ übersetzt werden. In der buddhistischen Philosophie ist die Erkenntnis dieses „Nichts“ tatsächlich ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Erleuchtung. Eben diese Erfahrungen in Japan – naturkulturelle Verflechtungen, Vergänglichkeit, Einsamkeit – habe ich mit meinen Fotografien festzuhalten versucht. Für meine Bilder verwendete ich eine analoge japanische Nikkon F-301 Kamera aus den 1980er Jahren mit einem Tokina AT-X 28-85mm f/3.5-4.5 Objektiv sowie KODAK Gold und FOMA Fomapan Filme. 

nicolas weisensel

Nicolas Weisensel ist Umweltphilosoph aus Würzburg und interessiert sich für naturkulturelle Verflechtungen, Intra-Aktionen und konstante Transformationen. Er studierte Germanistik und Philosophie in Würzburg sowie Wirtschafts- und Umweltethik in Kiel und Kōbe, Japan. Aktuell promoviert er in Literaturwissenschaft/Environmental Humanities an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Weitere Informationen: www.nicolasweisensel.com